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Latentwärmespeicher in Baustoffen
Gebäude verursachen mehr als einen Drittel des Endenergiever-
brauchs in der Schweiz. Insbesondere der Strombedarf zur
Raumklimatisierung steigt steil an und beträgt bereits heute
etwa 15% des Gesamtbedarfs. Besonders der Konflikt zwischen
einer gut gedämmten Aussenhülle für den Winter und der Auf-
wärmung der Gebäude im Sommer gilt es zu lösen. Mit der Kom-
bination von konventionellen Baustoffen mit Phasenwechselma-
terial (Phase Change Material oder PCM) wird ein vielver-
sprechender Anfang gemacht.
Z
ukunftsweisende Gebäude müssen in der Lage sein, die zeitli-
che Brücke zwischen Energiebedarf und -verfügbarkeit zu
schlagen. Hierzu gehört im Winter ein möglichst guter U-Wert, im
Sommer dagegen der Schutz vor der oft unterschätzten Wärme-
einstrahlung. Der sommerliche Wärmeschutz erschöpft sich nicht
mit der Frage nach dem U-Wert, denn der Dämmstandard hilft
wenig, wenn die Wärme in Form von Strahlung ins Gebäude dringt.
Vielmehr sind die Beschattung, die Nachtauskühlung, die Masse
und die reduzierten inneren Lasten im Gebäude ausschlaggebend
für den sommerlichen Wärmeschutz. Der Speichermasse kommt
dabei eine besondere Bedeutung zu. Diesem Umstand wird mit
der SIA-Norm 382 / 2 Kühlleistungsbedarf von Gebäuden und
dem Minergienachweis Rechnung getragen. Der auf geringen Ma-
terialeinsatz ausgerichtete moderne Leichtbau erreicht dabei die
kritische Masse kaum. Hier kommt die Kombination aus konventi-
onellem Baustoff und zusätzlichem Phasenwechselmaterial (Pha-
se Change Material = PCM) ins Spiel.
Abb.1
Vergleichende Innenraumtemperatur nach der Komfortnorm
SN EN 15251/ SIA 382.706 (Simulation)
PCM in der passiven Anwendung
In Neubauten mit geringer Masse und trockenem Innenausbau
soll der gleiche thermische Komfort geschaffen werden wie in Ge-
bäuden mit Innenwänden aus Beton oder Stein. Bei der Sanierung
älterer öffentlicher Bauten (z.B. Schulen und Krankenhäuser) er-
möglicht der Einsatz von Materialien mit Latentwärmespeicher
eine deutliche Komfortsteigerung ohne Unterstützung von Klima-
anlagen. Selbstverständlich sind die rein passiven Kühlmöglich-
keiten nördlich der Alpen deutlich grösser als südlich davon. Des-
halb können Gebäude in Regionen mit ausreichendem
Nachtkühlungspotenzial oft ohne Klimaanlagen gebaut werden –
vorausgesetzt, dass bereits in der Planung eine ausreichende
nächtliche Auskühlung mit Luftwechselraten von a = 3 bis 4 be-
rücksichtigt wird.
PCM in der aktiven Anwendung
In südlichen Regionen oder feuchtwarmen Gebieten sind Gebäu-
de meistens klimatisiert, denn die Klimaanlagen regeln nicht nur
die Temperatur, sondern auch die Innenraumfeuchte. Ist eine Kli-
matisierung vorhanden, so ist der Latentwärmespeicher im Bau-
körper als Teil der technischen Gebäudeausrüstung (TGA) zu be-
trachten. Er stellt in diesem Fall einen Wärmepuffer dar, der
Spitzenlasten glättet. Mit PCM kann ein Grossteil der im Tagesver-
lauf anfallenden Wärmemenge temperaturneutral zwischenge-
speichert werden. Die von der Klimaanlage benötigte Kühlleistung
wird deutlich reduziert und führt zu kleineren und effektiveren
Anlagen. So können die Mehrkosten auf der Baustoffseite durch
Einsparungen bei der Technik kompensiert werden. Die Betriebs-
kosten des Gebäudes können gesenkt und die Klimatisierung aus-
serhalb der sonst üblichen Zeiten eingeschaltet werden.
Insbesondere bei Engpässen im Versorgungsnetz oder der inter-
nen Infrastruktur kann PCM die Lösung sein. Prüfenswert ist zu-
dem, ob durch den Einsatz von PCM ein Wechsel von mechani-
scher Kälte hin zu regenerativen, d.h. erneuerbaren Kältequellen
möglich wird. Diese sind bis zu 24 Stunden verfügbar, werden
aber in kleinerer Dosierung benötigt. Auch hier wird der Ausgleich
von Wärmespitzen und deren zeitliche Verlagerung genutzt, und
der Wärmeanfall zeitlich entkoppelt. Der Einsatz von Latentwär-
mespeichern ist also nicht auf bestimmte Klimaregionen oder die
passive Anwendung beschränkt. Vielmehr entscheidet das Ge-
samtkonzept über die Erfolgschancen ihres Einsatzes.
Beispiel 1: Konventioneller Leichtbau vs. Leichtbau mit passiver
PCM-Nutzung
Annahme:
Zwei 7 x 9 m grosse Klassenräume mit Pultdach in
einem Schulerweiterungsbau in Berlin wurden in Leichtbauweise
erstellt. Sie haben eine Fensterfront mit 35% Glasflächenanteil,
Dreifach-Wärmeschutzverglasung und einer aussen liegenden
Beschattung an der Südfassade. Die Fenster können geöffnet
werden. Innenwände und Decke sind einmal mit konventionellen
Leichtbauplatten, einmal mit PCM-haltigen Gipsbauplatten be-
plankt. In beiden Fällen sorgt eine mechanische Lüftung mit ma-
ximal dreifachem Luftwechsel für die Nachtauskühlung im Som-
mer. Bei einem Vergleich ohne aktive Kühlung wird der Einfluss
von PCM auf das Innenraumklima ersichtlich
(Abb. 1)
.
Mit PCMexpress die PCM-Leistungsfähigkeit bestimmen
Die qualitativen Aussagen zur Wirkung von PCM wurden an-
hand zahlreicher Praxisobjekte und unterschiedlicher Anwen-
dungsformen nachgewiesen.
Doch jedes Gebäude ist thermisch gesehen eigenständig, so
dass auf dynamische Gebäudesimulationen zurückgegriffen
werden muss.
PCMexpress ist eine kostenlose Software, welche die beiden
Lösungansätze – PCM und konventionelle Gebäudetechnik –
einander gegenüberstellt. Sie kann unter
www.valentin.de/ pro-
dukte / pcm heruntergeladen werden. Abb. 1 bis 4 wurden mit
dieser Software erstellt.
*Eingangsparameter für das Raumklima zur Auslegung und Bewertung der Energie-
effizienz von Gebäuden – Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik.
Abb. 2
Typischer Tagesverlauf im Sommer (Simulation)
TIPP
Entsprechend der Komfortnorm SIA 382.706/SN EN 15251* für
nicht klimatisierte Gebäude gewährleistet der Latentwärmespei-
cher das Raumklima der Kategorie I, mit dem 95% der Nutzer
zufrieden sind.
Abb. 2
zeigt einen typischen Tagesverlauf im
Sommer, wobei die Raumtemperatur dank PCM im Komfortbe-
reich bleibt. Eine andere Modellrechnung mit PCMexpress (s.
Box) zeigt, dass sich in einem mit konventionellem Leichtbau
erstellten Gebäude 57 Hitzetage über 26 °C pro Jahr ergeben,
während es mit PCM nur 11 sind.
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Bewertung der Raumtemperatur
Tag mit grösstem PCM-Effekt